Die japanischen Austauschschüler Anna Ochi und Ryo Arai sind zu Gast in Schermbeck beziehungsweise Wesel. Beide besuchen das KDG. Erdbeben, Tsunami und Reaktorunglück in ihrer Heimat beunruhigen sie nicht wirklich.
VON ISABELL HÜLSER in RP vom 5.4.2011
WESEL Ruhig und sachlich sitzen Anna Ochi und Ryo Arai am Tisch in der Cafeteria des Konrad-Duden-Gymnasiums. Die beiden japanischen Austauschschüler müssen aus der Entfernung ansehen, wie ihr Land von den wohl schlimmsten Katastrophen seiner Geschichte heimgesucht wird. Trotzdem vermitteln die beiden eine beeindruckende Zuversicht: „Wir haben keine Angst", erklären sie.
Den Familien geht's gut
Während Anna Ochi (16), die aus Yokohama (südlich von Tokio) kommt, bereits seit August bei ihrer Gastfamilie Terlunen in Schermbeck lebt, ist Ryo Arai (16) erst zwei Wochen vor dem Unglück bei seiner Gastfamilie Goike in Wesel angekommen. Als die Nachricht von dem schweren Erdbeben in Japan um die Welt ging, saß Ryo gerade mit seiner Gastmutter Barbara Goike im Auto auf dem Weg zur Schule.
Nicht außergewöhnlich, fand der Schüler zuerst. Schließlich sind Erdbeben in Japan keine Seltenheit. Nachdem aber das Ausmaß des Unglücks im Laufe des Tages klar wurde, entschied die Gastmutter, ihren Schützling für den Rest des Tages aus der Schule zu nehmen.
„Ich wollte, dass er Kontakt zu seiner Familie aufnehmen kann. Mit den acht Stunden Zeitverschiebung wäre das am Nachmittag nicht mehr gut möglich gewesen. Dann kam glücklicherweise die Entwarnung." - „Ich habe mit meiner Familie telefoniert und sie haben gesagt: Es ist alles gut", erinnert er sich an den ersten Kontakt zu seinen Verwandten in Sayama (im Norden von Tokio). „Meine Tante war in Miyagi, da wo das Erdbeben am stärksten war. Ihr geht es aber auch gut."
Um auf dem Laufenden zu bleiben, war der Fernseher seiner Gastfamilie in den ersten Tagen nach dem Beben oft eingeschaltet. „Ich habe jeden Tag Fernsehen geguckt, um zu sehen, was passiert", erklärt Ryo.
Auch Anna, deren Familie ebenfalls nichts passiert ist, verfolgte die neuesten Ereignisse rund um den Unglücksreaktor in Fukushima im Internet. Richtig zu beunruhigen scheint die beiden das, was sie da hören und sehen, allerdings nicht. „Eigentlich denken wir nur: Ach, wieder ein Erdbeben, aber dieses Mal war es schlimmer, besonders wegen der Radioaktivität", erklärt Anna. Während die beiden japanischen Gäste also ruhig bleiben, machen sich die Gastfamilien Gedanken, wie sie mit der außergewöhnlichen Situation umgehen. Beide haben den japanischen Verwandten angeboten, zu ihnen nach Deutschland zu kommen. „Aber sie konnten gar nicht verstehen, warum wir ihnen das Angebot überhaupt machen. Da gilt halt die Devise: ruhig bleiben", erklärt Barbara Goike. „Aber sie haben geschrieben, sie sind froh und glücklich dass ihre Tochter Anna hier in Sicherheit ist", erzählt Sabine Terlunen.
„Soll ich ihn jetzt trösten?"
Für beide ist die Gastmutterrolle ein Problem. „Die Japaner leben nach dem Motto:, Ich will mit meinen Emotionen niemand anderen belasten'. Da frage ich mich, soll ich ihn jetzt trösten?", schildert Barbara Goike ihre Unsicherheit. Wenn die Situation anders herum wäre und ihre Kinder sich gerade in Japan zu einem Austausch aufhalten würden, da sind sich die beiden Mütter sicher, würden sie nicht mit japanischer Ruhe reagieren. „Wir hätten unsere Kinder sofort nach Hause geholt."
INFO: Gäste am Niederrhein
Anna Ochi, die aus Yokohama kommt, lebt seit August bei ihrer Gastfamilie Terlunen in Schermbeck. Im Februar kam Ryo Arai, der aus dem Norden Tokios stammt, zur den Goikes nach Wesel.