Jesus Rivas (17) aus Venezuela ist für fast ein Jahr bei Familie Adler in Hünxe zu Gast. Der Austausschüler besucht das Konrad-Duden-Gymnasium in Wesel und macht seine ersten Erfahrungen im „kalten“ Deutschland.
Von Simon Gossen in RP vom 30.10.2008
HÜNXE/WESEL „Haustür", „Ofen", „Schrank", „Tisch". Im ganzen Haus sind kleine gelbe Zettel verteilt, so gut wie nichts ist unbeschriftet. Seit 20. September ist Jesus Rivas bei Familie Petra Adler in Hünxe zu Gast. Der 17-jährige Austauschschüler aus der Arbeiterstadt Puerto Ordaz in Venezuela lebt mit seiner Gastmutter und deren Kinder Stella, Moritz und Philipp unter einem Dach. Jesus hat selbst zwei Brüder und eine Schwester. Seine neue Schule ist das Konrad-Duden-Gymnasium in Wesel. „Hier ist es schon ziemlich kalt", sagt Jesus, während in seiner Heimat warme 28 Grad herrschen. „Aber ich habe einen guten ersten Eindruck." Bis zum 10. Juli nächsten Jahres möchte er die deutsche und auch die englische Sprache erlernen. Noch spricht er nur Spanisch und ein bisschen Englisch.
Vokabelheft angelegt
„Am Anfang ist es natürlich noch etwas schwer, aber auch ganz witzig. Wir sprechen viel Englisch, um ihm Deutsch beizubringen", erklärte seine Gastmutter. Auch die Zettel sollen ihm dabei helfen, sich in einem deutschen Haushalt zurechtzufinden. Jesus zeigt sich sehr lernwillig, interessiert und bemüht. Er hat bereits ein Vokabelheft angelegt und nimmt an einem Deutschkurs des Austauschprogramms AFS Interkulturelle Begegnungen teil.
In seiner Freizeit spielt der 17-Jährige gern Tischtennis, Schach und Fußball. Er ist Fan des Vereins „Mineros de Guayana" aus Venezuela. Sein Lieblingsspieler ist der Portugiese Christiano Ronaldo. Der spielt bei Manchester United und hofft, zum Weltfußballer des Jahres gekürt zu werden. Das würde Jesus Rivas sicherlich sehr freuen. Der 17-Jährige mag aber nicht nur Fußball. Auch an Gesellschaftsspielen hat er Gefallen gefunden. In Deutschland möchte Jesus auf jeden Fall noch Großstädte wie Hamburg und Frankfurt besuchen. „Berlin, Köln und auch Amsterdam sind bereits fest eingeplant", sagt Petra Adler. Mit dem AFS geht es noch in die englische Metropole London. Jesus interessiert sich für die Struktur der „Cities" und möchte nach seinem Austausch Architektur studieren. Außerdem hat er sich fest vorgenommen, die deutsche Kultur und Tradition näher kennenzulernen.
Staunen über die Kanzlerin
Darüber, dass die Bundesrepublik mit Kanzlerin Merkel von einer Frau regiert wird, zeigte sich der Gast aus Südamerika ebenso verwundert wie über die Pilze, die hierzulande aus dem Boden sprießen. „In Venezuela gibt es keine Pilze", sagt er. Gastmutter Petra erzählt, Jesus kenne auch viele Obst- und Gemüsesorten nicht, die im heißen Venezuela nicht wachsen. Auch sonst gibt es für ihn viele Unterschiede in Deutschland zu entdecken. Er vermisst zum Beispiel sein Auto. „In Venezuela fährst du überall mit dem Auto hin, egal wie weit es ist", sagt er. In Hünxe muss er mit dem Fahrrad zur Bushaltestelle, um zur Schule zu kommen.
Das Tanzen fehlt ihm
Das Tanzen fehlt ihm genauso wie seine Freunde. „In meiner Heimat wird zur Musik getanzt, hier wird Musik nur gehört", hat Jesus festgestellt. „Merengue" und „Reggaeton", zwei sehr instrumenteile Musikarten, mag er am liebsten. Wasser mit Kohlensäure ist ihm ebenfalls unbekannt. INFO: Benzinpreis-SchockAls Jesus Rivas zum ersten Mal auf die Preistafel einer niederrheinischen Tankstelle blickte, traute er seinen Augen nicht. Kein Wunder: In seiner Heimat kostet der Liter Diesel etwa sieben Cent.