Wirtschaftsforscher und Bildungsexperten fordern, Lehrer nach Leistung zu bezahlen. Für Prämien sollen auch Beurteilungen der Schüler einfließen.
VON DETLEV HÜWEL UND EVA QUADBECK in RP vom 12.11.2008
BERLIN Der Vorschlag ist revolutionär: Lehrergehälter sollen nicht mehr in Dienstjahren berechnet werden, vielmehr sollen Leistung und Einsatzbereitschaft der Pädagogen zählen. Die Idee des Kölner Wirtschaftsforschungsinstituts (IW): Lehrer bekommen ein Grundgehalt in Höhe der Bezüge für Anfänger. Darauf gesattelt werden Leistungszulagen und Prämien, die von den Ländern und zum kleineren Teil von den Schulleitungen selbst festgelegt werden. „Bis zu einem Drittel des Gehalts kann über Zulagen und Prämien laufen", sagt Oliver Stettes vom IW. Das Ziel: Motiviertere Schüler durch motiviertere Lehrer.
Nach Ansicht des Bildungsexperten und ehemaligen Internatsleiters Bernhard Bueb soll auch eine anonymisierte und von einer neutralen Person ausgewertete Beurteilung der Lehrer durch die Schüler die Höhe der Prämie mitbestimmen. „Ein Lehrer kann 40 Jahre guten Unterricht geben, ohne dass er dafür gelobt oder gar belohnt wird. Ebenso kann er dieselbe Zeit schlechten Unterricht geben, ihn aber selbst für gut halten", sagte Bueb. Eine Bezahlung der Lehrer nach Leistung wäre ein „Glücksfall".
Eine Reform der Lehrergehälter würde nach den Vorschlägen des IW keine neuen Löcher in die Landeshaushalte reißen. Knapp ein Drittel der etwa 650 000 Lehrer gingen in den kommenden zehn Jahren in Pension. Mit den Pensionierungen stehen der Studie zufolge zunächst jährlich 616 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Älteren Lehrern, die bereits in der höchsten Besoldungsstufe sind, soll nichts weggenommen werden.
Die Lehrerverbände fordern im Gegensatz zum IW, dass eine leistungsbezogene Zulage zusätzlich zu den derzeitigen Gehältern gezahlt wird. Ein gleiches Grundgehalt für alle Lehrer hält der Chef des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, für „illusorisch". „Ich möchte das Industrieunternehmen sehen, in dem die Einstiegsgehälter sich nicht von den Endgehältern unterscheiden."
Die Bildungspolitiker reagierten vorsichtig optimistisch. Die Chefin der Kultusministerkonferenz, Saarlands CDU-Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, sagte, bislang gebe es wenige Anreize für Lehrer. Die Studie liefere sinnvolle Anregungen für Reformen. Auch die NRW-Regierung signalisierte, sie wolle mehr Leistungsanreize für Lehrer setzen.
INFO: Leistung zählt
Die Lehrer selbst stehen leistungs-bezogenen Gehältern aufgeschlossen gegenüber. Einer Forsa-Umfrage zufolge wünschen sich 80 Prozent, stärker nach Einsatz und Erfolg vergütet zu werden. Am stärksten ist dieser Wunsch bei Sportlehrern (86 Prozent), am geringsten bei Kunst- und Musiklehrern (73).
VON EVA QUADBECK in RP vom 12.11.2008
Achtung, das ist keine allgemeine Lehrerkritik: Selbstverständlich müssen Lehrer nach Leistung bezahlt werden - aus drei Gründen. Erstens: Für das Image des Lehrerberufs wäre eine Bezahlung nach Leistung ein Zugewinn. Das Gerede von den „faulen Säcken" hätte ein Ende, wenn die Entlohnung gerechter wäre. Zweitens: Psychosomatische Erkrankungen treffen Lehrer häufiger als andere Berufsgruppen. Das Gefühl, ausgebrannt zu sein, entsteht aber nicht nur durch starke Arbeitsbelastung. Vor allem stresst es, wenn gute Arbeit nicht erkannt und nicht belohnt wird. Ein Gehaltssystem, das Leistungszulagen und Prämien ausschüttet, kann dem entgegenwirken. Dies gilt besonders für die Prämien, die Schulen selbst verteilen: Sie wären damit verbunden, dass sich die Lehrer mit ihrer eigenen Arbeit auseinandersetzen. Und drittens: Für Schüler sind motivierte Lehrer Gold wert. Sie fördern das Leistungsniveau und erzeugen den Geist von Gemeinschaft und Aufbruch, den eine erfolgreiche Schule braucht.
Bislang ist eine leistungsgerechte Bezahlung von Lehrern vor allem am Argument möglicher Ungerechtigkeit gescheitert. Vom Einsatz in einer Brennpunktschule bis hin zur Theater AG können viele objektive Kriterien für Leistungszulagen geschaffen werden. Hundertprozentige Gerechtigkeit lässt sich nicht herstellen. Den Schülern geht es nicht besser.
Schon seit 10 Jahren können Lehrer nach Leistung bezahlt werden. Bislang gibt es hierzulande aber kaum Vorbilder für ein solches Prämien-System.
VON EVA QUADBECK in RP vom 12.11.2008
BERLIN Der Ruf nach einer leistungsgerechten Bezahlung von Lehrern, wie ihn das Kölner Wirtschaftsforschungsinstitut (IW) nun geäußert hat, ist schon häufiger erschallt und unter dem Protest der Lehrergewerkschaften wieder verhallt. Seit der Reform der Beamtenbesoldung 1998 ist es möglich, Lehrer auch nach Leistungskriterien zu entlohnen. Bayern und Sachsen nutzen die Möglichkeit in bescheidenem Umfang.
„Ich habe 5000 Euro pro Jahr zur Verfügung", sagt Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbandes und Gymnasialdirektor im bayerischen Deggendorf. Bei einem Kollegium von 60 Lehrern könne er an sieben Pädagogen jährlich 400 bis 900 Euro ausschütten. „Das ist nicht viel. Die freuen sich aber trotzdem", sagt Meidinger. Er wünsche sich aber, fünf bis zehn Prozent der Gehälter an die Lehrer seiner Schule individuell verteilen zu können.
Die derzeit noch kleinen Prämien überweist der Schulleiter den Pädagogen, die besondere Unterrichtserfolge erzielen, mit innovativen Methoden arbeiten oder bereit sind, durch Zusatzstunden Unterrichtsausfall zu vermeiden. Den Bonus kann auch ein Lehrer erhalten, der geschickt die Starken und die Schwachen in einer Klasse nach ihren Bedürfnissen fördert. Auch in Rheinland-Pfalz hat es zwischen 2001 und 2003 den Versuch gegeben, Lehrer stärker nach Einsatz und Erfolg zu entlohnen. Damals hatte sich die FDP in der sozial-liberalen Koalition dafür stark gemacht. Jürgen Zöllner, seinerzeit SPD-Bildungsminister in Rheinland-Pfalz und heute Bildungssenator in Berlin, sieht „Grenzen und Schwierigkeiten" einer Gehaltsreform. Wegen möglicher Konflikte in den Kollegien habe kaum eine Schule die Möglichkeiten der leistungsorientierten Vergütung genutzt. Zusätzlich sind die Gewerkschaften gegen das Modell Sturm gelaufen. Für einen neuen Anlauf sieht Zöllner nur „mittelfristig" eine Chance.
Sympathie für die Vorschläge der Wirtschaftswissenschaftler vom IW Köln lässt die Chefin der Kultusministerkonferenz, die saarländische Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, erkennen. „Ich denke, dass wir in Deutschland derzeit ein System haben, wo die Bezahlung der Lehrer relativ hoch ist, wir aber relativ wenige Anreize für die Lehrer bieten", sagte sie unserer Zeitung.
Die saarländische Ministerin sieht ähnlich wie ihr Berliner Amtskollege Schwierigkeiten bei der Frage, wie die Leistung von Lehrern gemessen werden kann. Die IW-Studie liefert ihrer Ansicht nach gute Vorschläge: „Ich denke hier beispielsweise an erhöhte Arbeitsbelastungen durch Korrekturen, Engagement im Bereich von Arbeitsgruppen oder auch bei Bildungsangeboten außerhalb des klassischen Unterrichts." Die Experten vom IW schlagen darüber hinaus vor, dass auch Lehrer, die Mangel-Fächer wie Physik unterrichten, belohnt werden - ebenso Pädagogen, die sich für den Einsatz an einer Brennpunkt-Schule melden. Für Pädagogen, die Abschlussklassen betreuen oder Schüler auf Lernstandserhebungen vorbereiten, soll es ebenfalls Zulagen geben.
Die Idee, dass alle Lehrer das gleiche Grundgehalt bekommen, soll der Studie zufolge auch für alle Schularten gelten. Demnach bekäme ein Hautpschullehrer, der eine siebte Klasse unterrichtet, das gleiche Salär wie ein Gymnasiallehrer, der eine siebte Klasse unterrichtet. Lediglich für Unterricht in der Oberstufe soll es wiederum Zulagen geben.
Im internationalen Vergleich sind die deutschen Lehrergehälter hoch. Mit 15 Jahren Berufserfahrung verdient ein Lehrer, der die Klassenstufen fünf bis zehn unterrichtet nach Angaben der Wirtschaftsorganisation OECD jährlich rund 51 400 US-Dollar und liegt damit an zweiter Stelle hinter der Schweiz.
VON DETLEV HUWEL in RP vom 12.11.2008
DÜSSELDORF In NRW stoßen Überlegungen für eine Leistungskomponente bei der Beamtenbesoldung auf Sympathie. Die Landesregierung sei daran interessiert, Leistungsanreize zu setzen, so Thomas Breuer, Sprecher des NRW-Schulministeriums. Allerdings könnten solche Regelungen nicht nur für Lehrer gelten, sondern die gesamte Landesbeamtenschaft müsste darin einbezogen werden. In der nächsten Legislaturperiode (nach der Landtagswahl 2010) werde es zu einer entsprechenden Dienstrechtsreform kommen, kündigte Breuer an.
Für Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes NRW, kommen Leistungsanreize allerdings nur als zusätzliches Element in Frage. Keinesfalls dürfe bei neu einzustellenden Pädagogen das Gehalt mit Blick auf spätere Leistungszahlungen gekürzt werden. Auch könnten leistungs-bezogene Angebote keinesfalls als Alternative zu Beförderungen verstanden werden. „Das werden wir nicht mitmachen", betonte Silbernagel im Gespräch mit unserer Zeitung. Hingegen begrüße er es, wenn solche Boni „obendrauf" kämen: „Das würde die Attraktivität des öffentlichen Dienstes erhöhen."
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Meyer-Lauber, verwies hingegen auf den „immensen Aufwand", der mit der Vergabe von Leistungsprämien verbunden sei. Die Frage sei auch, ob dadurch die Motivation nennenswert gefördert werden könne, zumal es nach geltendem Recht lediglich um ein Prozent des Bruttojahreslohns gehe. In den letzten fünf Jahren hätten die Lehrer zehn Prozent mehr gearbeitet, aber zehn Prozent Reallohnverlust hinnehmen müssen. Deswegen verstehe er die Lehrer, die angesichts der Tarifrunde im nächsten Jahr verlangen: „Jetzt wir dran." Kritisch äußerte sich auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Es handle sich bei den Überlegungen um den Versuch, neoliberale Vorstellungen auch auf die Bildungspolitik zu übertragen, so Landeschef Ulrich Brambach. Besser wäre es, die Klassen zu verkleinern. „Das aber wird nicht in den Blick genommen, weil es Geld kosten würde."